Interview mit dem Internet-Experten Rainer Weichbrodt.
Rainer Weichbrodt ist Gründer der kukumu media, ein Dortmunder Netzwerk von Internet und IT-Experten, die insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in der Region Unterstützung anbieten in der Bewältigung der Herausforderungen zum Neuen Digitalen Wandel. Wir trafen den Internet-Experten und konnten ihm einige Fragen stellen. Lesen sie was er uns zu sagen hatte.
Red.: Was hat dich inspiriert zum Thema IT zu kommen
RW: Nun meine Affinität zur IT ist mir möglicherweise auch in die Wiege gelegt. Mein Vater war IT-Experte zu einer Zeit, in der die Lochkarten noch das Mittel der Wahl waren, um mit dem Computer in Kontakt zu treten. Damals als Kind konnte ich die Bedeutung nicht erkennen, schließlich war es nicht möglich Computer mit nach Hause zu bringen, da sie riesig waren, so zumindest der Eindruck aus meiner Kindheit. Ich spielte halt mit den Lochkarten und malte auf der Rückseite des endlos beschriebenen Druckerpapiers. Mein Vater zeichnete Ablaufpläne mit Tuschezeichnern. Für mich ist er heute noch ein wahrer Held der des digitalen Wandels, was ich damals natürlich nicht begreifen konnte. Dennoch kann selbst ich mich erinnern, dass noch im ersten Semester meines Informatikstudiums die Wahl bestand, geschriebene Programme mit Lochkarten oder per Modem einzureichen. Natürlich wählte ich das letztere Möglichkeit. Gut, dass es sich dann schnell änderte.
Red. Was wurde dann anders?
RW: Naja, es tat sich im Silicon Valley eine Bewegung auf, die den Global Playern wie IBM, HP oder Xerox arg zu schaffen machte, was diese aber in ihrer Überheblichkeit nicht wahrnahmen. An uns ging diese Bewegung etwas vorbei, da wir eben noch kein Internet hatten. Zum Glück gab es Computerzeitschriften, die zumindest über neue Produkte berichteten. Mein Studienkollege Martin hatte bereits einen „Homecomputer“, der mich schon faszinierte. Meinen ersten Computer kaufte ich mir 1982. Da hatte Steve Jobs bereits seine berühmte „Stolzesrede“ gegen IBM gehalten. Meine Frau und ich verkauften unsere Autos und steckten das Geld komplett in die Computerausrüstung. Heute können wir sagen, dass dies eine wichtige Entscheidung in unserem Leben war. Denn nun schrieb ich nicht nur Programme, sondern entwickelte mathematische Software. Ich, der in der Schule in Mathe nie ein Bein auf den Boden bekam. Der bloße Wille, dem Computer das beizubringen, erlaubte mir den autodidaktischen Zugang zur Mathematik und ein „Einser-Examen“ in Operations Research. Damals haben wir dann zu dritt als Studenten unsere erste „Firma“ für Datentechnik in Duisburg gegründet.
RW:Unter uns Nerds war es Atari mit seiner grafischen Oberfläche und einer Computermaus. Auf der einen Seite löste dies Begeisterung aus, aber wir trauerten auch etwas um den Verlust der Kommandozeile. Hier konnten wir mit den gelernten Befehlen direkt in den Dialog treten. Das machte uns irgendwie zu etwas Besonderem, zumindest gab es uns ein solches Gefühl. Die grafische Oberfläche und dann Windows machten den Personal-Computer erst wirklich bereit für eine breite Verwendung in der Gesellschaft. Jetzt konnte man auch noch Programme kaufen, selbst zu programmieren wurde immer weniger nötig.
Red: Wie ging es dann nach deinem Studium weiter?
RW: Die IT-Kenntnisse waren schon ein Karrieretreiber, bereits zu einer Zeit, an der man noch gar nicht wirklich an Karriere gedacht hat. Ich habe als Werkstudent in der Lagerverwaltung gearbeitet. In dem Unternehmen gab es Groß-Computer und SAP R/2 aber keine Personal-Computer. Ich bekam mit, dass der Lagerleiter eine Aufgabe zu lösen hatte, die ihm Schwierigkeiten bereitete. Später erfuhr ich, dass diese Aufgabe von „ganz oben“ über sechs Hierarchiestufen letztendlich auf seinem Tisch landete. Ich bot ihm an, diese Aufgabe zu lösen. Ich brachte meinen PC, immerhin mittlerweile ein IBM-Computer, in das PC-freie Unternehmen und löste die Aufgabe. Später muss im Vorstand jemand erstaunt gefragt haben, wer denn so etwas im Unternehmen könne. Nach einer ehrlichen Antwort und einer Zeit von sieben Tagen hatte ich einen Vertrag mit dem Unternehmen, Projekte von nun an direkt auf Vorstandsebene zu bearbeiten. Das Unternehmen hatte durch mich jährliche Materialeinsparungen in Millionenhöhe.
Red: Was brachte das für dich in der weiteren Entwicklung?
RW: Ich denke es ist meine Stellung zu Hierarchie. Ich wollte nie, dass es mir passieren könnte, dass ich Potentiale nicht erkennen würde, weil Hierarchien dies blockieren. Ich pflege seitdem einen Dialog auf Augenhöhe mit allen Menschen und nutze die vielen Impulse, um Innovationen voranzubringen. Das mangelnde Vorstellungsvermögen der Global Player im IT-Bereich, die Steve Jobs, Bill Gates und andere abblitzen ließen, haben genauso in mir einen emotionalen Eindruck hinterlassen, wie die Unfähigkeit von gut bezahlten sechs Hierarchiestufen, die nicht in der Lage waren, mit zeitgemäßen Methoden ein Problem zu lösen. Demut, lebensbegleitendes Lernen und der Respekt vor den Potentialen der Mitarbeiter ungeachtet des Alters oder der Herkunft, das waren die wirklichen Früchte dieser Erfahrung, die ich nicht missen wollte.
Red: Wie hat denn die IT deine Managementmethoden beeinflusst?
RW: Na ja, das ist die Kehrseite von Beförderungen. Man darf einige Dinge nicht mehr selbst machen, die man vorher tun durfte. Das war die Programmierung von Software. Zum Glück war ich seit 1990 immer auch für die IT-Abteilungen verantwortlich. So blieb ich ja schon im Thema. Meine IT-Affinität spürte aber jeder, der mit mir zu hatte und ich konnte stets den evolutionären digitalen Wandel über die Jahre mit vielen Innovationsprojekten in den Unternehmen mitgestalten.
Red: Wann bist du zum Thema Internet gekommen?
RW: Es war spätestens 1999. Mich faszinierte diese Entwicklung genau so emotional wie der Homecomputer meines Studien-Kollegen Martin 17 Jahre zuvor. Da war das wieder mit der Augenhöhe und der Hierarchie. In den Weiterbildungen bei der SIHK in Hagen saß ich über 300 Abendstunden mit lieben Menschen unterschiedlichster beruflicher Herkunft. Im letzten Modul ging es um eine Projektarbeit. Ich hatte meine Idee, hochmotiviert das Thema social collaboration Plattform umzusetzen. Und da war sie wieder, die Macht und Autorität, die Innovationen und Potentiale zerstören. Der Trainer wollte mir ein anderes Projekt aufs Auge drücken, aus seinem eigenen beruflichen Umfeld. Nicht zum ersten Mal in meinem Leben stand ich auf und sagte lebe wohl. Ich setzte mein Internetprojekt um, erhielt mehrere Innovationsauszeichnungen, und wir konnten in den Folgejahren die Unternehmenserträge in Millionenhöhe steigern. 2013 wurden wir Sieger beim IT-Innovationspreis der Initiative Mittelstand in der Kategorie web 2.0 & social, mittlerweile der 8. Innovationspreis.
Red: Was ist heute im Jahre 2015?
RW: Die Entwicklung und Verbreitung des „Streetcomputings“ über Smartphones und Wearables und die zunehmende Vernetzung von Menschen und Maschinen stellen heute Gewohntes genauso auf den Kopf, wie die Veränderungen, die meinen Vater und mich in der Vergangenheit inspirierten. Ich nenne es den neuen digitalen Wandel, wohl wissend, es ist nicht der erste und nicht der letzte, den die Menschheit miterlebt. Ich sehe heute wieder Menschen und Autoritäten in Hierarchien, die keinerlei Vorstellungskraft haben, was da auf die Wirtschaft zukommt. Ich sehe heute auch die vielen jungen Digital Natives mit ihren guten Potentialen für den digitalen Wandel, aber leider auch wie sie in verstaubten Unternehmen abblitzen oder mit Praktikantenverträgen abgespeist werden. Ich wünschte mir die Demut, Innovationsbereitschaft und den respektvollen Dialog auf Augenhöhe, was mir zu bewahren immer so wichtig war. Das Internet und die sozialen Medien verändert unser Leben und wird verändern, wie Wirtschaft, Bildung und vieles andere in unserer Gesellschaft funktioniert.
Red: Was ist das der Grund für die neue Sparte kukumu media in deinem Unternehmen?
RW: Sicher, weil ich in diesem Thema halt so tief verwurzelt bin. Aber einfach auch, weil es mir Freude macht.
Nach 25 Jahren Managementtätigkeit im Mittelstand weiß ich wie Manager ticken und welche Herausforderungen sie bewältigen müssen. Anpassungen von Geschäftsmodellen und -Strategien sowie das Reengineering von Geschäftsprozessen auf Basis der digitalen Transformation sind nun seit 30 Jahren meine Themen und sie spielen auch bei kukumu media hinein. Aber ich fühle mich auch beschenkt, mit vielen netten Menschen unterschiedlichen Alters auch in dieser Zeit Zukunft mitgestalten zu dürfen. Und natürlich erzähle ich bei allen Innovationen auch Geschichten aus der Vergangenheit. Story Telling kann auch inspirierend sein.
Red: Du sprichst von einem Netzwerk Digitaler Wandel, was ist das genau?
RW: Als Netzwerk bezeichne ich lediglich die vielen Beziehungen und Kontakte, die ich seit vielen Jahren pflege. Keine formale Struktur, keine starren Formate, keine Verträge. Fluide Kooperationen mit dem Potential freudvoller und für den Kunden effektiver Arbeit. Gibt es für einen Kunden was zu tun, dann schaue ich, wer sich im Kundenauftrag mit einbringen will und kann, nicht mehr und nicht weniger. Das passiert aber auch anders herum. Kapazitäten und Kompetenzen sind ausreichend vorhanden.
Red: Wie ist der Name entstanden?
RW: kukumu ist eine Abkürzung ähnlich des Begriffes kmU. Es steht für Kleinstunternehmen (weniger 10 MA), Kleinunternehmen (10-49 MA) und mittlere Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Der digitale Wandel fordert natürlich auch Selbständige, kleine Handwerksbetriebe oder den Einzelhandel. Und das ist das eigentlich neue an dem Angebot, die Zielgruppe wurde erweitert. Wir können heute auch dieser Zielgruppe attraktive Unterstützung bieten, für die es auch vom Bund und der EU für kleine Unternehmen zahlreiche finanzielle Unterstützungen gibt.
Red: Welche gibt es hier zum Beispiel?
RW: Seit Oktober 2015 können Unternehmen bis zu 80% Beratungsförderungen erhalten im Förderprogramm Unternehmenswert:Mensch. Damit sinkt die wirtschaftliche Barriere, sich professionell mit den Herausforderungen des digitalen Wandels zu befassen immens.
Red.: Wer kann diese Beratungen durchführen?
RW: Das sind autorisierte Prozessberater wie ich, die umfangreiche Fach- und Prozesskompetenzen und -erfahrungen nachweisen konnten.
Red: Vielen Dank für das Gespräch und viel Freude und Erfolg für kukumu media.
RW: Herzlichen Dank
Anmerkungen der Redaktion:
Inspiriert von dem Interview hier nochmals die komplette Rede von Steve Jobs aus dem Jahre 2005. Es schien während des ganzen Gespräches der Geist von Steve Jobs im Raum zu sein. In dem Sinne von Stewart Brand und Steve Jobs
„Bleibt immer hungrig und erhaltet euch euren Leichtsinn!“