Spiral Dynamics und Führungskultur

Spiral Dynamics bringt Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Wertemuster und Führungspraktiken und ermöglicht einen Wandel in der Unternehmensführung.

Nach jeder Vorlesung, die ich an den Hochschulen den Masterstudenten gebe, kommt immer wieder die Frage auf:“ Warum verhalten sich Führungskräfte so oft gegen alle aus Führungstheorien abzuleitenden Handlungsempfehlungen?“ Nun ist wieder eine Vorlesung beendet über Motivations- und Führungsmodelle in Theorie und Praxis. Und wieder kommt die Frage. Nicht eine einzige Theorie über die Motivation von Menschen rechtfertigt das Verhalten in den Führungsetagen. Von Maslow über Herzberg oder McGregor über die vielen anderen wie Reinhard Sprenger oder Gerald Hüther haben seit Jahrzehnten besseres gelehrt.

Und noch eine Frage kommt auf. Wenn 75% der Führungskräfte in einer Studie selbst sagen: „so wie heute geführt wird ist es nicht mehr zeitgemäß“, warum ändert sich so wenig?
Letztlich ist die Antwort gar nicht so schwer. Führung ist eben keine Kompetenz, die nur auf kognitiver Intelligenz baut. Es bedarf vielmehr einer Herzensintelligenz und einer moralischen Intelligenz. Und die ist bei vielen Managern sehr schwach ausgeprägt. Diese Intelligenzen werden auch nicht in unserem Bildungssystem geschärft. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Es ist eine Frage des Bewusstseins. Trotzdem ist Wissen der erste Schritt zur Entwicklung des Bewusstseins. Und deshalb sind die Modelle über Stufen der Bewusstseinsentwicklung immer auch Teil meiner Vorlesungen.

 

Modelle der Bewusstseinsebenen

Die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow ist sicher das bekannteste Modell. Heute möchte ich die Ansätze zeigen, die z.B. in ähnlicher Weise Clare Graves, Susanne Cook-Greuter oder Don Beck mit seinem Modell Spiral Dynamics entwickelten.

Ich habe in der Grafik ähnlich wie bei Maslow die Bedürfnisse in einer Pyramide erfasst. Clare Graves spricht nicht von Bedürfnissen sondern von Attraktoren. Es sind auch Werte, die zu einer Bewusstseinserweiterung führen.

Spiral Dynamics
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In welcher Ebene sich ein Mensch befindet hängt ab von Alter, Bildung und den Entwicklungsstufen der Menschen, die ihn prägen. Eltern, Lehrer, Freunde und natürlich auch Ausbilder und Chefs.
In meinen Vorlesungen gehe ich nur auf vier Ebenen ein, die ich für das Wirtschafsleben heute für relevant erachte.

 

Von Clanbildung, Ritualen und Egozentrikern 

Manchmal habe ich Zweifel, ob ich nicht da noch zu optimistisch bin. Ich beobachte nicht selten, wie sich Führungskräfte Jobs und Aufträge zuschustern. Ich habe einige Unternehmen beobachtet. Bei einem bekannten Dortmunder Unternehmen habe ich nachvollziehen können, dass immer nur Rotarier-Freunde besetzt wurden und die öffentliche Ausschreibung jeweils nur zur Tarnung erfolgte. In der Nachbarschaft trafen sich Freimaurer, eine weitere sogenannte Elite? Letztlich ist das nichts weiter als Clanbildung und das Festhalten an Ritualen. Das ist soweit ok. Ich bezweifle aber, dass auf dieser Ebene Mitarbeiter geführt werden können, die längst auf höheren Bewusstseinsebenen sind. Vielleicht auch dann der Grund, warum man unter sich bleiben möchte.

Auch den „PowerGod“-Typ, dem absoluten Ich-Menschen als Chef, begegne ich eigentlich ganz selten. Mir berichten Seminarteilnehmer oft spontan:“ Das ist 100% mein Chef, das ist er!“
80% aller Manager in Deutschland werden sich nach meiner Schätzung aber in den Bereichen TruthForce und StriveDrive bewegen.

 

Regeln müssen her, brechen wir sie für den Erfolg!

Regeln, Prozessbeschreibungen, Anweisungen, Dokumentationswahn sind die Rahmenbedingungen, die TruthForce-Chefs schaffen. Positiv heißt es „Hohe Organisations- und Strukturreife“. Das Unternehmen läuft wie geschmiert, Mitarbeiter funktionieren. Ab einer gewissen „Reife“ ist dann Schluss mit Motivation und Innovationskraft. Es kommt zur Fluktuation, die gehorsamen Beamten bleiben. Die meisten Fach-Experten verharren auf dieser Ebene.

Für die StriveDrive-Typen zählt nur der Erfolg. Wenn es diesem nützt, dann macht man auch schon mal etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter oder die Umwelt. Wenn nicht, dann lässt man es sein. Tierschutz, Gesundheitsschutz, Umweltschutz oder andere Gemeinwohlinteressen spielen hier nicht wirklich eine Rolle. Es kommt nicht selten zur Spannung. Denn StriveDrive lässt sich nicht gern durch Regeln eingrenzen. Auch nicht durch Gesetze. Nicht selten rüsten Unternehmen dann auf mit Risikomanagern und Compliance-Managern, um die Einhaltung von Regeln besser zu kontrollieren. Unternehmen geraten in Unordnung (Entropie) auf Grund dieser Eskalation. Wie Hase und Igel stehen sich die Typen gegenüber. Mir kommt sofort das Bild der Deutschen Bank. Wollen Kultur verbessern. Ehrlicher werden? Oder VW. Vor Winterkorn war es Hartz, davor Lopez. Die Bewusstseinsebene ist wie das Betriebssystem einer Organisation. Können diese Unternehmen sich realistisch weiterentwickeln?

 

Ethik und Menschlichkeit, wollen wir das wirklich?

Nun kommt der Typ HumanBond. Keine Ellenbogenkarriere wie bei StriveDrive. Kein Gehorsam wie bei TruthForce. Hier wird erstmals wirklich Sozialkompetenz erwartet. Erstmals? Ja. Wenn ein TruthForce Chef Sozialkompetenz sagt, meint er Gehorsam. Ein StriveDrive Chef meint uneingeschränkten Leistungswillen. Der HumanBond Chef ist empathisch und interessiert sich erstmals wirklich, von ganzem Herzen, für die Menschen in seinem Unternehmen. Für einen StriveDriver wäre er eher ein kuschelndes Weicheich, ein Gutmensch, der eigentlich eher schadet. Denn der HumanBond-Typ würde für seine Mitarbeiter auch auf Regeln und Erfolg verzichten. Vielleicht aber würde er auch nicht lange im Amt bleiben, weil er nicht dem allgemeinen Rollenbild einer Führungskraft entspricht.

Der Flex-Flow Typ rückt nun noch weiter weg von Truth-Force. Will Beruf und Familie vereinbaren, Vertrauensarbeitszeit einführen, sich verwirklichen und seine Potenziale einbringen und entwickeln. Wo soll das noch hinführen? Truth-Force Chefs denken jetzt an Anarchie und schimpfen auf den verwöhnten Nachwuchs. Die Generation Y und Z hätten andere Werte, so schreiben die Medien. Ist das gut oder schlecht?

Wir haben keinen Werteverfall!

Alles wäre gut, wenn sich die Welt nicht weiterentwickeln würde. Internet, neue Medien und die Wohlstandsentwicklung haben auch Rahmenbedingungen geschafft, dass Menschen sich weiterentwickeln konnten. Zunehmend mehr Menschen bewegen sich in Richtung HumanBond und höher. Interessieren sich für Achtsamkeit, Yoga und Meditation, um sich selbst zu finden. Finden den Machtmissbrauch, die Fokussierung auf Geld und die permanente Bevormundung durch Regeln schlichtweg zum Kotzen. So wird es mir zugetragen, immer häufiger.

Die gute Nachricht: Wir haben keinen Werteverfall! Im Gegenteil. Wir haben ein Wertewachstum. Ich hoffe, man kann dies anhand des Wertemodells von Clare Graves gut beschreiben. Wir können davon ausgehen, dass heute bereits 50% der Menschen in Europa sich oberhalb von StriveDrive entwickelt haben. Weiter als zum Beispiel in den USA.

Die schlechte Nachricht: Unsere sogenannte Elite hat das nicht geschafft. Sie haben ein Entwicklungsdefizit. Also wird man tendenziell noch mehr TruthForce und StriveDrive Manager einsetzen, um den Mitarbeitern ihre Flausen aus dem Kopf zu treiben. Man wird versuchen Defizitbedürfnisse in Frage zu stellen, Angst verbreiten und Bildungssysteme weiter verschulen.

Die Menschen sind also nicht schlechter geworden. Die Elite bremst nicht nur die gesellschaftliche Entwicklung. Sie bremst auch die wirtschaftliche. So heißt es in dem Buch „Der 6. Kodratieff-Zyklus“, dass es moralische Barrieren seien, die in dem Wirtschaftszyklus im Zeitraum 2010 bis 2050 zu überwinden seien, um neues Wachstum zu schaffen.

Wir hätten eine Riesenchance in Deutschland, wenn wir es schaffen würden, Unternehmensführung neu zu verorten. Wenn wir die Chancen des neuen Bewusstseins für die Unternehmen erkennen und Führungskräfte auf eine höhere Bewusstseinsebene bringen. den Einfluss der StriveDrive gebürsteten Finanzwirtschaft und der USA reduzieren würden. Wie der deutsche Prof. Otto Scharmer (MIT) sagt: „Wir müssen im Prinzip das ganze System auf dem Kopf stellen“. Nicht die Mitarbeiter sind die wirklichen Engpässe des Erfolges, es sind veraltete Glaubensätze in der Führungspraxis, die zu überholten Arbeitswelten führten und Menschen krank machen.

Neandertaler im Management sind ein Auslaufmodell.

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